Der betörende Duft des Südens
Die Landesküchen im Mittelmeerraum, auf der iberischen Halbinsel und in der Ägäis gelten als Gesunderhalter erster Güte und lassen nichts vermissen, weder Geschmack, regionale Vielfalt, Frische und Qualität der sonnenverwöhnten Zutaten, weder Ursprünglichkeit noch Leidenschaft - die Grundkonsistenz für naturbelassene Genüsse. Käse spielt in diesem Kosmos keineswegs die zweite Geige. Was wären eine Pizza ohne Mozzarella, Gnocchi ohne Gorgonzola, Lasagne ohne Ziegenfrischkäse, Kartoffeltortilla ohne Manchego, griechischer Bauernsalat ohne Schafskäse, Börek ohne Schafskäse? – Eine halbe Sache!
Italienische Käselaibchen on Top auf der Beliebtheitsskala
Er ist bekannt wie Leberkäse und beliebt wie Erdbeermarmelade, wenn es ihn nicht schon gäbe, man müsste die Kuh, die Milch für ihn liefert, noch erfinden. Er krönt jede Pasta, schmiegt sich an Gemüse und tut Gutes bei Lasagne, Aufläufen, Pizzen und Grilladen. Pur genossen, beglückt sein mal würzig-nussiger, mal frisch-süßlicher Geschmack, und Ernährungsberatern gilt er als Gesundheitsbooster. Der Parmesan, nur original mit dem Gütesiegel Parmigiano reggiano, Botschafter Italiens im gleichen Range wie Parmaschinken, Chianti und Pasta asciutta.
Ein tüchtiges Stück Parmesan sollte man immer im Hause führen. Eine schnelle Mahlzeit aus geschmeidigen Spaghetti, Olivenöl, Chili, Petersilie und ein paar Kapern oder Sardellenfilets lässt sich mit ihm – frisch gerieben – in den Adelsstand heben. Puristen genießen Pasta mit Zitronenbutter, frischem Pfeffer aus der Pfeffermühle, Parmesan. Auch über einer Gemüsesuppe macht er sich gut, und meldet sich spontaner Besuch auf ein Glas Wein an, springt er locker als knusprige Käsestange oder luftiger Windbeutel in die Bresche. Frischer Wind aus dem Waffeleisen:
Parmesanwaffeln
Echter Parmesan – der mit dem buttrigen Flavour – ist eine Offenbarung, wenn er mit der Parmesanreibe fein gehobelt auf angeröstetem Landbrot und mit einem Hauch Balsamico parfümiert die Nase und Geschmacksnerven kitzelt. Klaglos lässt er sich mit anderen Käsesorten wie Ricotta oder Mascarpone mischen, denen eine Prise „Geschmacksverstärker“ nicht schaden kann. Kenner behandeln ihren Parmesanlaib respektvoll, brechen kernige Stücke mit sanfter Hand aus ihm heraus und ritzen ihn mit einem Parmesanmesser.
Spargel mit Mascarpone und Parmesan
Gorgonzolacreme alla grappa macht sich auf frischem Schwarzbrot besonders gut: 100 g weiche Butter cremig rühren, 200 g Gorgonzola und 3-4 EL Grappa einmischen, salzen. Kleine Kugeln formen und in Pumpernickel-Bröseln wenden. 1 Stunde im Kühlschrank erstarren lassen. Mit Trauben oder eingelegten Weinbergpfirsichen servieren.
Das Käse-Doppel Mascarpone-Gorgonzola gibt Riesenchampignons zerfließenden Charme und lässt sich in erhitzter Milch zu einer fixen feinen Käsesauce schmelzen. Raffiniert: Teigkörbchen mit knusprig gebratenen Blutwurstscheiben und karamellisierten Zwiebeln, mit einem Mascarpone-Gorgonzolatopping überbacken. * Nachzulesen in: Ainsly Harriott, „Just five“, vgs.
Parmesans Gegenspieler - der ausdrucksvolle Pecorino - verdankt seinen starken Charakter vollfetter Schafmilch. Er tritt in vielen Reifegraden, Rinden, Altersstufen, Geschmacksrichtungen (gesichtet werden Oregano, Thymian, Pistazien, Schokolade, Nüsse, Pfeffer, Kapern und Oliven) und Herkommen auf. Der sardische aus der Milch der halb-wild lebenden Schafe wird besonders geschätzt. Pecorino schmilzt im Pizzaofen blitzschnell zu einer sämigen Auflage und bewahrt Gemüseaufläufe und Gratins vor dem Austrocknen.
Kartoffel-Käse-Auflauf
Der fettarme Ricotta wird bei uns immer beliebter. Kunststück, eignet er sich doch wunderbar für Ravioli, Tortellini, gefüllte Pfannkuchen. Der sahnige Butterkäse Bel Paese darf auf keiner Italienischen Käseplatte fehlen und erst der Mozzarella...! Als geschützter Mozzarella di Bufala Campana ein Charakterschädel, nicht nur klassisch mit Tomaten, Basilikum-Pesto. Der Mut zum höheren Preis gegenüber dem „Normal-Mozzarella“ wird mit einem ungleich höheren Geschmackserlebnis belohnt.
Aber damit ist noch lange nicht Schluss mit der italienischen Käseparade: Balsamico (Schnittkäse), Blu di Bufala (Blauschimmel), Boschetto al Tartufo (Schnittkäse aus Kuh- und Schafsmilch mit Trüffeln), Brillo, Brinata und Marzolino Senese (alle Schaf), Caprino pura (Ziege), Cravanzina (Edelschimmel), Fior di Langa (Weichkäse), Fontina (Schnittkäse), Grana Trentin (Hartkäse), Kastelruther Spatzenkäse, La Tur (Weichkäse), Mila (Pfefferkäse), Paglieta (Fladenweichkäse), Pizzino (rotrindiger Schnittkäse), Rocchetta (Weichkäse Ziege/Schaf/Kuh), Scarmozza (Rauchkäse), Stilfser (Bergkäse), Taleggio (Rotrinde/Blau-Schimmel), Ubriaco (Rotweinkäse) und Val Belbo (Milchmix aus dem Piemont). Provolone verzehrten bereits die alten Römer.
Was macht Spanien in Sachen Käse?
Wenn Sie in einer spanischen Queseria sagen: „Quiero comprar un queso muy típico de España“, wird Sie die Vendedora vermutlich als allererstes den Manchego probieren lassen: „Es en queso consistente de la región de Castilla – La Mancha”. Aus pasteurisierter Schafsmilch 60 Tage bis 6 Monate lang gereift, bildet der Manchego nicht nur eine starke hell- bis schwarzbraune Rinde mit dem typischen Wellenmuster aus, sondern auch ein volumenreiches Aroma mit einem Rioja-würdigen Abgang. Bis zu einem Jahr kann er in Olivenöl eingelegt reifen. Wird er aus nicht-pasteurisierter Milch gekäst, darf er sich „Artisano“ (handwerklich erstellt) nennen.
Auch auf der iberischen Halbinsel ist die Käsevielfalt zwischen Boffard Artesano Curado, Mahon Menorca, Torremilano, Curado di Capra, Maxorata (Ziegenkäse aus Fuerteventura) El Tofio (Lanzarote), Ibores und Iberico Extra enorm – aber der Manchego ist und bleibt auf dem internationalen Parkett der bekannteste spanische Käseliebling.
Käseomelett mit Fenchel
In kalten Stückchen auf dem Tapas-Büffet köstlich genauso wie Frittierte Manchego-Käsewürfel *
Ein handlicher Snack vor dem Filmklassiker oder der Endspiel-Verlängerungsrunde, weil er kaum vom Bildschirm ablenkt: Quesadillas*
Käse In der Ägäis & am Bosporus
Herzhafter griechischer Bauernsalat aus Fleischtomaten, Gurken, Zwiebeln, Kräutern und Oliven in einer würzigen Vinaigrette wird mit Schafsweißkäse zur Leckerei. Fetacreme und gekräuterter Ziegenfrischkäse gehören zu den beliebtesten Mezdes (Appetithäppchen) der Griechen. Bereits Homer berichtet 700 vor Christus von einer Käseherstellung, bei der Molke in geflochtenen Körben („Formoi“) heranreift - ethymologisch erhalten in formaggio und fromage. Griechenland dürfte – neben Bulgarien – das Mekka für Freunde der Ziegen- und Schafskäse sein. Zu uns gelangen vor allem der dem Ricotta ähnliche Frischkäse Manouri, der Grillkäse Halloumi und der Schafs- oder Ziegenfeta. Nur der echte Feta macht Laune. Seine Nachahmer aus Kuhmilch lässt er geschmacklich weit hinter sich.
Gebackener Schafskäse mit Oliven
Sommerwonne Holzkohlengrill:
Lammköfte mit gegrilltem Schafskäse
Am Bosporus angelangt erwarten uns Käsesorten, die nur selten den Weg in unsere Supermärkte finden. Der kräftig nach Knoblauch schmeckende Van Otlu Peyniri ist ein ausgesprochener Frühlingskäse, während der Kargi Tulumu ausschließlich im Herbst gekäst wird und in Ziegenledersäckchen heranreift. Der Eski Kaser aus Schafsmilch wiederum schlummert 6 Monate lang eingefroren in Säcken, bevor er bis zu 3 Jahre gelagert werden kann. Die weidereiche Kars-Region liefert den Vollfett-Schafskäse Gravyeri. Aus seinem Namen lässt sich Gruyère ableiten und einen Geschmacksvetter hat er im Emmentaler.
Der beliebte Schafs-Weißkäse Beyaz Penir liefert die Grundlage für diesen aromatischen Käsedip (zu gegrilltem Lamm, Rind oder Gemüse oder als Sandwichauflage):
Börek
Knuspriger Snack oder mit einem knackigen Blattsalat zum Abend:
Auch im Künefe („Engelshaar“) macht Schafskäse eine gute Figur. Die Engelshaar-Teigfäden (Tel kadaylfi) führt der türkische Feinkosthandel.
Höllisch süß und sündhaft mächtig!
Unsere kleine Käse-Rundreise geht demnächst weiter mit einem Trip in das Heimatland der Käseklassiker Camembert, Roquefort und Brie. Und wir fragen uns, welche Getränke sich zu welchem Käse empfehlen. Schauen Sie also bald wieder vorbei!
Text: Sigrid Jo Gruner/MissWord!
Buchtipp:
Johanna Handschmann, Lust auf Käse, Südwest Verlag