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Tapas I: Tapas frias

Wo der Machismo blüht: Eviva las Tapas!

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Caballerosidad und Machismo in einer Seele vereint - Spaniens Männern hängt hartnäckig der Ruf an, dominant und chauvinistisch zu sein (allerdings auch ritterlich), doch schaut man in die Familien hinein, ist es meist die mamacita, die den Ton angibt und die Hand auf dem Geldsäckel hat. In einem sind sich alle einig - die heiß geliebten Tapas kommen zu jeder Tages- und Nachtzeit ins Spiel.

Spanier sind vor allem eines: Nachtschwärmer. Das Abendessen wird ab 22 Uhr eingenommen und nicht selten ersetzt durch die leckeren kleinen Schweinereien, die als Tapas die Feinschmeckergaumen rund um den Globus erfreuen. Als grandioser kulinarischer Zeitvertreib zu einem Glas Sherry, Cerveza oder Vino Tinto begleiten sie einen Geschäftsabschluss in der Bar am Vormittag und üben im gesamten spanischen Tagesablauf eine regulierende Funktion aus: Immer wenn der kleine Hunger sich meldet, sind Tapas nicht weit. Als pures Vergnügen werden die Appetithäppchen zum Drink gereicht, auf dem Tapas-Teller geraten sie als racion zum vollmundigen Imbiss und ein Tapas-Büffet sättigt Fiesta feiernde Flamenco-Tänzer samt Großfamilien.

Häppchen mit Herkunft

Manche sehen in den Tapas das Erbe arabischer Nomaden- und Beduinenvölker, andere weben eine Legende um den spanischen König Alfonso X. (1221 bis 1284), der wegen seines Magenleidens nur kleine Gerichte mit einem Glas Sherry zu sich nahm, und dies mehrmals über den Tag verteilt. Eine strikte Regel aus der spanischen Militärgeschichte legte den Soldaten auf, zu jedem Schnaps auch einen kleinen Happen zu essen und die Angewohnheit der andalusischen Bauern, ihr Weinglas mit einem Stück Weißbrot, einer Scheibe Chorizo oder Jamón als Deckel vor den Fliegen zu schützen, könnte die Tapas ins Leben gerufen haben. Ihr baskisches Gegenstück, der Pincho oder Pintxo, ist aufwändiger und keine großzügige Dreingabe zum Getränk. Er wird wie eine Vorspeise (entremesa) bestellt (und auch bezahlt).

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Die salzig-delikaten Tapas neutralisierten den Alkohol - meint man allzu vordergründig. Doch genau genommen potenziert sich beides mit zunehmendem Genuss. Denn einmal Tapas, immer Tapas, es ist wie der Griff in die Chips-Tüte - man kann einfach nicht aufhören! Sattelfeste Kompagnons sind Bier, Sherry, Weißwein und Rotwein und der feine spanische Cava, der durchaus in der Lage ist, den Chardonnay-Crémants oder edlen Winzer-Schaumweinen aus Elsaß, Baden, Franken und Rheingau den Rang abzulaufen. Einem schlichten Champagner ist ein Cava mit Niveau in jedem Fall vorzuziehen. Sein Preis-Leistungs-Verhältnis erfrischt ebenso wie sein charmant-trockenes Prickeln in Brut oder Rosé.

Madrids Charme liegt (auch) in den Taperias!

Als unbestrittene Tapas-Hochburg gilt Madrid. Selbst in eher gesichtslosen Hochhausvierteln verführen die Theken der Bars und Bodegas zum chateo, was so viel wie stupsnasig heißt und real einen Imbiss mit Wein aus einem stupsnasigen Glas bedeutet. Madrid ist stolz auf einen der größten Fischmärkte der Welt. Obwohl weit vom Meer entfernt, sind die Madrilenen dem Fisch verfallen. Jede Familie, die auf sich hält, legt Sardellen nach eigenem Hausrezept ein, am Madrider Markt El Rastro serviert eine Bar ausschließlich Sardinen.

Eingelegte Sardellen
200 ml Olivenöl, rote Zwiebeln, Safran, Knoblauch, Lorbeerblatt, Thymian, Pfefferkörner, 50 ml Chardonnay-Weißweinessig, 100 ml Weißwein und Petersilie aufkochen. Gemehlte frische Sardellen braten, mit der Marinade in einen Keramiktopf schichten, ziehen lassen, mit hauchdünnen, mit Öl im Ofen gerösteten Baguette-Scheiben genießen.

Exkurs: Sardinen - Sardellen
Beides sind Mittelmeer-Blaufische aus der Heringsfamilie (sarda = Hering). Die bis zu 17 cm lange Sardelle ernährt sich von Plankton, ist weicher, saftiger und fettreicher; die längere Sardine nimmt auch Fischeier, Krebse und kleinere Fische zu sich und schmeckt im Sommer am besten. Beide Arten eignen sich zum Braten, Grillen, Frittieren, die Sardelle auch zum Einlegen.

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Mit Banderillas, handlichen Spießchen, die kleine Gemüse, Fisch- und Fleischstückchen zu pikanten Waffen machen, wird das bohrende Gefühl im Magen bekämpft. Aufgespießt werden Sardellen mit Cornichons, Oliven, Perlzwiebeln und Kapern, Mini-Burger mit Wachteleiern, Champignons mit eingelegten  Knoblauchzehen, Baby-Calamares mit schwarzen Oliven. Mit einem kalten Tapas-Teller verwöhnt man Überraschungsgäste auf der sommerlichen Terrasse, wenn die Grillen zirpen und sich die Nacht des San Juan (24.6.) nähert, der Abend, an dem auf Menorca die Caballeros ihre Liebsten über glühende Asche tragen. Ein Tapas-Teller besteht aus hauchdünnen Scheiben vom Serrano oder Pata Negra Schinken, gerösteter Blutwurst, Chorizo (Paprikawurst) oder Sobrassada (mallorquinische Streichwurst), Lomos (luftgetrocknete Schweinelende), Kapern, Sardellen, eingelegten Pimientos, Oliven und Tomatenbrot. Serviert man einen reinen Käseteller mit Manchego, Mahon, Torta de Casar, Tetilla und Roncal sollten Oliven, Würzmandeln und Quittenmus nicht fehlen.

Tomatenbrot
Reife Tomaten auf der Reibe raspeln, Fruchtfleisch mit Knoblauchsaft, Salz, Pfeffer, Sherryessig vermengen. Geröstetes Landbrot mit Olivenöl beträufeln, mit dem Tomatenkaviar bestreichen, evtl. gehackte Sardellenfilets und Kräuter darüber streuen.

Würzmandeln
Mandeln bei 170 Grad rösten, mit 1/2 TL Salz, 1 TL Kreuzkümmel und Cayennepfeffer vermischen. Leicht verquirltes Eiweiß darüber gießen, weitere 5 Minuten im Ofen brutzeln.

Tapas-Basics im Vorratsschrank

  • Chorizo, Salsadores (Salami) oder Blutwurst, Lendenrohschinken, Iberico-Jamón oder Serrano, Thunfisch, Anchovis, Glasaale.
  • Getrocknete Pfefferschoten und Tomaten, Manchego- und Zamorano-Käse, eingelegte Peperoni, Pimientos und Artischocken, Kapern, Sardellenfilets, verschiedene Oliven, Pinienkerne und Salz-Mandeln.
  • Handwerkszeug für tapas frias: Mörser, Mixer, Knoblauchpresse, Sparschäler, Dosierlöffel, Reibe, Kochlöffel, Rührbesen und Zange. Come siempre ein hervorragendes Messer.
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Exkurs: Pim(i)entos (Mini-Paprika)
Legendär sind die Pimientos de Padrón, wie sie auf Mallorca grün und unreif, aber vitaminreicher und schmackhafter als auf dem Festland geerntet werden. Geviertelt und entkernt, brät man sie in viel heißem Olivenöl in einer Gusseisenpfanne mit der Innenseite nach oben. Abgekühlt wird ihnen die dunkel gewordene Haut abgezogen. In Streifen geschnitten und zusammen mit Knoblauch, Olivenöl und Essig weich geschmort, schmecken sie köstlich auf geröstetem Brot. Pimientos sind von Haus aus unterschiedlich scharf! Sie gehören in das mallorquinische Tumbet (Fleisch-Gemüsepfanne mit Lorbeer und Safran), in die Sobrassada (mallorquinische Streichwurst) und den Trempo (Sommersalat mit Kapern).

Weitere Verwandte aus der verzweigten Tapas-Sippe:

Spanischer Kartoffelsalat
Geschnittene gekochte Fingerlinge, zerkleinerte harte Eier, reife Tomaten, gelbe Paprika, rote Zwiebeln, grüne Oliven und gehackte Petersilie mischen und mit einer Marinade aus Olivenöl, Sherry-Essig, Pfeffer und Meersalz übergießen. Zerpflückten Thunfisch unterheben. Variante: Eingelegter Spargel oder Pilze.

Rote Gazpacho
Rohe Tomaten, Pimientos, Knoblauch, eingeweichtes Brot und Chilipaste pürieren, dabei Olivenöl zulaufen lassen. Mit Rioja-Essig, Kreuzkümmel, Wasser und Eiswürfel durchmixen.

Blutwurst-Sandwich
Hauchdünne Weißbrot-Dreiecke mit in Olivenöl und Zwiebeln gerösteter Blutwurst belegen, zuklappen, gleichmäßig verteilen. Obenauf ein gekochtes Wachtelei spießen.

Marinierte Muscheln
Eingelegte Venus- und Pfahlmuscheln mit fein gehackter Paprikaschote, Zitronenabrieb, Olivenöl, schwarzem Pfeffer mischen. Mit Spießchen servieren.

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Fischsalat
Fischfilets in Weißwein, Lorbeer, Piment, Pfefferkörnern, Meersalz und Zitronenschale garen. Mit der Gabel in mundgerechte Stücke zerteilen. Eingelegte Paprikaschoten und scharfe Peperonis entkernen, vierteln. Weiße Gigantes Bohnen abtropfen lassen, mit Thymian würzen. Vollfleischige enthäutete Tomaten würfeln. Alles vermischen und in einer Marinade aus Sherryessig, Weißwein, Tomatenmark, Olivenöl, Prise Zucker baden. In Päckchen aus Romana- oder Spinatblättern anrichten.

Anchovis
12 frische Sardellenfilets waschen, 24 Stunden in Meersalz und Essig marinieren. Abspülen, trocknen, mit Knoblauch, feinen Lauchröllchen, Petersilie und Öl servieren.

Gefüllte Eier
Eigelbe auslösen, mit zerdrückten Oliven und Mayonnaise vermischen, pfeffern. Mix in die Eihälften zurück füllen, mit in Knoblauch gerösteten Semmelbröseln abschließen. Varianten: 1. Eigelb mit fein geriebenen Karotten, Safran, Tabasco, Olivenöl, gehackten Pistazien, 2. mit winzigen, grünen Spargelspitzen, Minze und Mayo, 3. mit gehackten Anchovis und Mini-Kapern.

Omelettröllchen
Verquirlte Eier in Olivenöl zu hauchdünnen Omeletts ausbacken, mit baskischem Rauchkäse bestreuen, kurz überbacken. Gerolltes Omelett in 6 Stücke schneiden, auf geröstete Brot- oder Chorizoscheiben spießen, mit Pimentos-Vierteln dekorieren.

Pikante Tomaten
Kleine, feste Tomaten halbieren, aushöhlen, mit der Schnittfläche nach unten auf Küchenkrepp legen. Eingelegte Sardellen abspülen, mit Olivenöl pürieren und mit feinsten Lauchzwiebelringen, geriebenem Manchego-Käse, Salz, Pfeffer, Zitronensaft, Tabasco vermengen. Mix mit gehackten Kräutern in die Tomatenhälften füllen.

Marinierter Blumenkohl
Gekochte und abgekühlte Blumenkohlröschen mit Rosinen, Safran, Kreuzkümmel, Zitronenabrieb, Meersalz und gehacktem Estragon mischen.

Bocadillo jamón
Brötchenhälften leicht anrösten, mit einer Knoblauchzehe und einer reifen Tomatenhälfte die Brötchen einreiben, mit Öl beträufeln, mit Schinken belegen, zuklappen, genießen. Am Jamón kommt in Spanien niemand vorbei!

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Vom Bergschinken zur Schinken-S-Klasse

Manche sagen, der Jamón symbolisiere die spanische Seele. Ganze Schinken werden zu Ehrentagen verschenkt, als Gabe gegeben um sich jemanden gewogen zu machen und zu jedem Anlass genüsslich verzehrt, pro Kopf 6 kg im Jahr. Eine ganze Zunft lebt davon, die Schinken Spaniens in hauchdünne Lonchas zu filettieren. Die Cortadores üben ihr viel bewundertes Handwerk in spanischen Restaurants oder bei Hochzeiten aus, wo sie bis zu 12 Sorten verschiedene Schinken auf speziellen Jamoneiras mit langen, scharfen Floretten auf dem Knochen bearbeiten, elegant und leichthändig wie Toreros vor dem Stier, entschlossen und schnittsicher in Faserrichtung von hinten nach vorne. Papierdünn muss er sein um auf der Zunge zu zerfließen! Den Anschnitt hält eine Speckschwarte saftig.

In der Schinkenhochburg Guijelo auf dem Hochplateau von Salamanca oder in Jabugo in der Region Huelva verdienen alle Einwohner ihr Brot in der Schinkenproduktion. In ausgedehnten Seccadores (Trockenkammern) verlieren die üppigen Schweinekeulen während einer 7- bis 12-monatigen Ruhezeit ein Drittel ihres Gewichts. 90 Prozent der spanischen Schinken reifen zum Serrano (Bergschinken) aus gewöhnlichen hellhäutigen Hausschweinen heran (Jamón de pata blanca). Der Serra-Wind trocknet ihn aus und das Klima sorgt für reichlich Enzymbildung und Mikroorganismen. In den Bergen des Rioja werden Serrano-Schinken in einer Paprika-Rotwein-Lauge erwachsen.

Dem viel gerühmten Ibérico geben die Keulen der schwarzen oder rotbraunen Duroc-Schweine (Pata Negra) seinen guten Fettansatz und sein anmutig marmoriertes Fleisch. Ein Teil der Duroc-Schweine futtert sich halbwild auf ausgedehnten Streifzügen durch spanische Eichenwälder an fetten Eicheln (Bellotas) satt. Der von ihnen gewonnene sagenumwobene Bellota ist mit seiner zweijährigen Reifezeit unbestritten die Krönung der spanischen Schinkenkunst und begeistert mit noblen Geschmacksvarianten zwischen erdig und blumig, je nach Saison. Zwischen den Hinterschinken Serrano (etwa 24 EUR/kg), Iberico (35/kg), Iberico Pata Negra (60/kg) und Bellota (180/kg) liegt nicht nur eine kulinarische Bandbreite. Die jeweiligen Vorderschinken sind preislich günstiger und im Geschmack kaum unterlegen, ergeben aber nicht so schön gezeichnete, großflächige Schinkenscheiben wie die Hinterkeulen.

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Alchachofa con Jamón
Frische Artischocken entblättern, Stiele abschneiden, Stroh entfernen, nur die Herzen verwenden.  Gemüsezwiebelwürfel anschwitzen, fein gehackten Knoblauch, 100 g Schinkenstreifen und Lorbeerblatt mitgaren. Mehl einstreuen, anrösten. 500 ml Sherry bei großer Hitze angießen, aufkochen, reduzieren. 20 Minuten köcheln lassen. Artischockenherzen und 400 ml warmes Wasser zugeben, salzen, 15 Minuten garen. 100 g Schinkenstreifen und Petersilie einstreuen.

Exkurs: Spanische Sommerdrinks

Wie kam sie nur zu ihrem liederlichen Ruf, die Sangria, eine der erfrischendsten und wohlschmeckendsten Sommerlieben überhaupt? Nicht nur der Ballermann, ähnlich dem bedauernswerten Glühwein macht Unkenntnis der Sangria zu schaffen. Mit Sangria-Vorurteilen räumt diese Variante auf:

Sangria Out of Ballermann
1 Flasche Rioja, 50 g Rohrzucker, Scheiben von Bio-Zitrone und Bio-Orange mit feinen Pfirsichspalten vereinigen. Mit 1 Zimtstange und 4 cl Cognac 2 Stunden kühl ziehen lassen. Zimtstange herausfischen. 100 g Himbeeren zufügen, mit eiskaltem Mineralwasser (und nach Gusto 1 Flasche Cava) auffüllen.

Genauso deliziös:

Kir espagnol
2 cl Johannisbeerlikör, 4 cl ml trockenen Sherry mit eiskaltem Cava angießen.

Tinto de verano
Eiswürfel und Zitronenschale in eine Karaffe geben, mit 250 ml Rotwein, 4 cl trockenem Wermut und 0,75 l eiskalter Zitronenlimonade (oder Mineralwasser) auffüllen.
Olé!

Wer jetzt noch nicht in Flamenco-Laune ist, braucht einen Tapas-Nachschlag. Haben wir uns hier der ländlich-robusten Art, Tapas aus der Hand zu genießen, gewidmet, erfordern die warmen Leckereien in Tapas II etwas Achtsamkeit. Schauen Sie demnächst wieder bei uns herein!

Kochbuch-Tipps:
Frank Camorra und Richard Cornish: Viva España, Christian Verlag (die charakteristische ländliche Küche)
Valirie Berry: Basic Tapas, AT Verlag (vielseitig)
Paco Roncero: Tapas im 21. Jahrhundert, Heel Verlag (ausgefallen)

Text: Sigrid Jo Gruner/ KochForm

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